Gerichtsurteil – Radfahren darf nicht verboten werden

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung keine ausreichende rechtliche Grundlage bietet, um das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen – darunter Fahrräder, Mofas und E-Scooter – behördlich zu untersagen. Mit den Beschlüssen vom 5. Dezember 2024 erhielten zwei Antragsteller aus Duisburg und Schwerte vorläufig die Erlaubnis zurück, solche Fahrzeuge im Straßenverkehr zu nutzen.

Hintergrund der Fälle

Die beiden Antragsteller waren jeweils in unterschiedliche Verkehrsdelikte verwickelt:

  • Einer der Antragsteller war unter dem Einfluss von Amphetamin mit einem E-Scooter unterwegs.
  • Der andere hatte bei einer Fahrradfahrt eine Blutalkoholkonzentration von über 2 Promille.

Beide besitzen keine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge und wurden von den zuständigen Fahrerlaubnisbehörden dazu verpflichtet, auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge nicht mehr zu führen. Gegen diese behördlichen Anordnungen hatten sie Rechtsmittel eingelegt.

Die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Gelsenkirchen lehnten zunächst die Eilanträge der Antragsteller ab. Das Oberverwaltungsgericht gab den Beschwerden der Betroffenen jedoch statt.

Begründung des Oberverwaltungsgerichts

Der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts führte aus, dass die entsprechende Vorschrift der Fahrerlaubnis-Verordnung keine hinreichend klare Grundlage für ein solches Verbot darstellt. Insbesondere sei die Norm nicht ausreichend bestimmt und unverhältnismäßig.

Ein Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, greife deutlich in die grundrechtlich geschützte Bewegungsfreiheit der Betroffenen ein. Zudem seien fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge wie Fahrräder oder E-Scooter weniger gefährlich als Kraftfahrzeuge. Diese Unterschiede seien in der geltenden Vorschrift nicht berücksichtigt. Es fehle an klaren Regelungen dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Person als ungeeignet oder nur bedingt geeignet für das Führen solcher Fahrzeuge gilt und wie Eignungszweifel definiert werden sollen.

Anschluss an frühere Rechtsprechung

Mit dieser Entscheidung schließt sich das Oberverwaltungsgericht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 17. April 2023) sowie des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20. März 2024) an. Beide Gerichte hatten in vergleichbaren Fällen ähnliche Argumente vorgebracht und die behördlichen Anordnungen aufgehoben.

Rechtliche Konsequenzen

Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar. Damit bleibt es den Fahrerlaubnisbehörden verwehrt, allein auf Basis der Fahrerlaubnis-Verordnung das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu untersagen, solange die rechtlichen Grundlagen dafür nicht klar und verhältnismäßig geregelt sind.

Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Verkehrsteilnehmern, die auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge angewiesen sind, und könnte wegweisend für künftige Gesetzesänderungen oder gerichtliche Verfahren sein.

Aktenzeichen: 16 B 175/23 (I. Instanz: VG Düsseldorf 14 L 2486/22), 16 B 1300/23 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 7 L 1617/23)