Regelverstoesse.de: Bürgerbeteiligung für sicherere Straßen

Das Bild zeigt eine Karte von Teilen Deutschlands, der Niederlande, Belgiens und Polens. Auf der Karte sind Kreise eingezeichnet, die vermutlich die Anzahl von Regelverstößen im Radverkehr an verschiedenen Orten angeben.  Die Größe der Kreise korreliert scheinbar mit der Anzahl der Verstöße.  Die Karte bietet die Möglichkeit, eine Adresse einzugeben, um detailliertere Informationen zu erhalten.  Oben befindet sich ein Menü mit den Optionen "FAQ", "Über uns" und "Rechtliches". Im unteren Bereich kann man zwischen Karten- und Satellitenansicht wechseln und  einen Regelverstoß beschreiben.
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Wenn Regelverstöße zur Normalität werden

Wer regelmäßig mit dem Fahrrad unterwegs ist, kennt die Situation: Um sicher ans Ziel zu kommen, weicht man manchmal auf den Gehweg aus, obwohl man eigentlich auf der Straße fahren sollte. Oder man ärgert sich über Autofahrer, die in zweiter Reihe parken und damit den Radweg blockieren. Regelverstöße im Straßenverkehr sind alltäglich – aber warum entstehen sie eigentlich, und wie können wir sie reduzieren?

Ein digitaler Meldekanal für alle Verkehrsteilnehmenden

Die Website regelverstoesse.de versucht, genau diese Fragen zu beantworten. Die Plattform ist Teil des Forschungsprojekts RULES (Regelverstöße im Radverkehr – Ursachenforschung und EntwickLung von Empfehlungen für eine Sichere Verkehrsinfrastruktur) und wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.

Das Besondere an diesem Ansatz: Hier können alle Verkehrsteilnehmenden – ob zu Fuß, mit dem Rad, dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs – Regelverstöße melden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man selbst den Regelverstoß begangen hat, davon betroffen war oder ihn nur beobachtet hat.

Ursachenforschung statt Schuldzuweisungen

Die Macher der Website verfolgen einen bemerkenswert differenzierten Ansatz. Anstatt einfach nur Verstöße zu sammeln und zu bewerten, geht es darum, die Ursachen zu verstehen. Oft gibt es aus Sicht der Beteiligten gute Gründe für einen Regelverstoß – sei es mangelnde Infrastruktur, unklare Verkehrsführung oder das Gefühl, anders nicht sicher voranzukommen.

Die Erkenntnis dahinter: Regelverstöße entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie sind häufig das Resultat schlecht geplanter oder unzureichender Verkehrsinfrastruktur. Wer beispielsweise mit dem Fahrrad auf einer stark befahrenen Straße ohne Radweg unterwegs ist, wird eher geneigt sein, auf den Gehweg auszuweichen – auch wenn das gegen die Verkehrsregeln verstößt.

Partizipative Verkehrsforschung

Das Projekt verfolgt einen partizipativen Ansatz: Statt nur aus dem Elfenbeinturm zu forschen, werden die Verkehrsteilnehmenden selbst zu Datenlieferanten. Mit wenigen Klicks oder auch ausführlichen Beschreibungen können sie über Regelverstöße berichten. Diese Bürgerbeteiligung ermöglicht es, ein viel detaillierteres Bild der Verkehrsrealität zu zeichnen, als es klassische Verkehrszählungen oder Unfallstatistiken vermögen.

Langfristige Ziele: Bessere Infrastruktur, weniger Konflikte

Das langfristige Ziel des Projekts ist ambitioniert: Durch ein besseres Verständnis der Ursachen von Regelverstößen sollen Straßenräume so gestaltet werden, dass sie komfortabler und erwartungsgerechter sind. Wenn die Infrastruktur stimmt, so die Hypothese, werden auch die Regelverstöße zurückgehen und damit die Konflikte zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmenden.

Abgrenzung zu anderen Meldeplattformen

Interessant ist auch, was die Website nicht erfassen will: Situationen, die auch ohne Regelverstoß gefährlich erscheinen, sollen über die Schwesterplattform Gefahrenstellen.de gemeldet werden. Diese klare Abgrenzung zeigt den wissenschaftlichen Anspruch des Projekts – es geht nicht um eine allgemeine Beschwerdesammlung, sondern um die systematische Erforschung von Regelverstößen.

Ein Baustein für die Verkehrswende

Projekte wie Regelverstoesse.de zeigen einen wichtigen Wandel in der Verkehrsplanung auf: Weg von der reinen Fokussierung auf den motorisierten Individualverkehr, hin zu einer integrierten Betrachtung aller Verkehrsteilnehmenden. Die Erkenntnis, dass Regelverstöße oft strukturelle Ursachen haben, könnte zu einer grundlegend anderen Herangehensweise in der Verkehrsplanung führen.

Wenn aus den gesammelten Daten konkrete Verbesserungsvorschläge für die Verkehrsinfrastruktur entstehen, könnte das Projekt einen wichtigen Beitrag zu sichereren und konfliktärmeren Straßen leisten. Der partizipative Ansatz macht dabei deutlich: Verkehrsplanung funktioniert am besten, wenn alle Beteiligten zu Wort kommen – auch die, die sich manchmal nicht an alle Regeln halten können oder wollen.

Mitmachen erwünscht

Die Website lebt von der Beteiligung der Verkehrsteilnehmenden. Je mehr Menschen ihre Erfahrungen teilen, desto aussagekräftiger werden die Daten und desto besser können fundierte Empfehlungen für die Verkehrsplanung entwickelt werden. Ein kleiner Beitrag, der langfristig zu großen Verbesserungen führen könnte.